Heute geht es also nach Orlando. 5 Tage in der gelobten Stadt der Themenparks – ein Phantasialand von kontinentalen Ausmaßen. Irgendwie faszinierend, anderseits aber auch in gewisser Weise bedenklich. Dass der Mensch so etwas baut, weil es ihm offensichtlich gefällt sich in einer kompletten Fantasiewelt zu bewegen ist schon etwas eigenartig. Aber der Reihe nach.
Um neun stand zunächst erst mal der Friseurbesuch bei Karin und Peter auf dem Programm. Wie üblich hatte ich pünktlich zum Sonnenaufgang den Pool frequentiert und dann Kaffee gemacht. Jürgen war im Lauf der Nacht ins Wohnzimmer ausgewandert und dort auf der Couch eingeschlafen. Macht er zuhause auch gern, da hat er dann aber die Couch noch mit unseren Haustigern zu teilen.
Der Frühstückshunger ließ auf sich warten, allerdings wollte ich das neue italienische Brot mal ausprobieren (Jürgen hatte brav die Anweisung befolgt morgens als erstes die Butter aus dem Kühlschrank zu holen, damit sie streichfähig werden konnte!). Gesagt, getan. Schöne weiche Butter auf schönes weiches Brot geschmiert. Diese Watte-Konsistenz des Brotes hier (wie auch in Holland) ist schon bemerkenswert. Man könnte nach dem Einkauf das ganze Brot auf max. 3 cm zusammenquetschen (aus Einkaufstüten-Platzersparnis), nur hätte man dann hinter Mühe die 1,5 Mikromillimeter dicken Scheiben auseinander zu friemeln. Oder man müsste es einfach wieder aufpusten können.
Jürgen bemerkte natürlich sofort, dass ich etwas futterte (da hat er irgendwie einen siebten Sinn für) und wollte auch. Also auch für ihn 2 Scheiben mit Butter bestrichen und aufeinander geklappt. Das reizte ihn, er klappte die Scheiben noch mal zusammen und noch mal und noch mal und noch mal. Nun war das Brotgebilde etwa daumendick und radiergummigross. Passte noch in den Mund – sehr witzig!
Ich setze mich mit meinem Kaffee auf die Terrasse und werkelte im Internet.
Zu meiner Überraschung verschwand mein Gatte dann plötzlich im Bad und das ließ darauf schließen, dass er beabsichtigte mich zum Friseur zu begleiten – mein Bodyguard. Macht er ja gern, ich würde schon manchmal gern wissen warum, verrät er mir aber nicht.
So sind wir dann pünktlich los zur Lafayette, schön mit offenem Verdeck im Cabrio – zur Morgenstunde wirklich ein Vergnügen.
Karins Friseurgeschäft ist richtig alt-amerikanisch eingerichtet. Jeder hat seine eigene Nische (sogar mit Namensschild) und ich dachte zunächst das wäre so eine Art Koexistenz, aber das Geschäft gehört den beiden allein. Die anderen Friseurinnen sind „eingemietet“ und arbeiten ganz selbstständig. Finde ich eine sehr vernünftige Lösung, wäre bei uns in Deutschland vielleicht auch eine ganz praktische Idee.
Karin war auch gleich für mich da und wir kamen auch schnell ins Gespräch. Man hört ihr ja doch die norddeutsche Herkunft an und da in meinem Pass Geburtsort Hamburg steht (und da kommt sie ursprünglich her) hatten wir auch gleich ein Gesprächsthema. Sie ist vor 5 Jahren mit Mann und Teenagertochter hierhin ausgewandert und hatte auch zunächst nicht gerade wenige Hürden zu überwinden, aber inzwischen haben sie es geschafft. Nun überlegt sie sogar den Salon zu verkaufen und auch nur als „eingemietete“ Friseurin zu arbeiten. Die Tochter ist dann vor 2 Jahren der Liebe wegen zurück nach Deutschland und hat jetzt auch für ein süßes Enkelkind gesorgt. Zurzeit ist sie hier zu Besuch (die Liebe holpert im Moment) und Karin würde sie am liebsten nicht wieder nach Deutschland zurück lassen, aber man wird sehen. Jürgen war zwischendurch in seinem Wartesessel kurz eingenickt – er durfte aber dann im unbenutzten Nebenstuhl Platz nehmen und sich mit uns unterhalten, bis die nächste Kundin kam.
Nach den üblichen 90 Minuten war ich aber auch schon fertig und bekam noch ein paar nette Einkaufstipps von Karin. $ 40 hat sie für das Ansatzfärben berechnet, zuhause komme ich etwas günstiger weg – aber man gönnt sich ja sonst nix. Gibt man eigentlich einer Friseurin, der der Laden gehört Trinkgeld? Wenn ja, dann habe ich jetzt ein schlechtes Gewissen…
Wir sind dann wieder nach Hause und endlich gab es ein ordentliches Frühstück. So ein Wattebrot vertilgt man zu zweit ja fast komplett bei nur einer Mahlzeit…
Wir wollten nicht zu früh in Orlando sein, also vertrödelten wir noch ein paar Stunden im Haus und am Pool, bevor wir uns auf die Socken machten. Die Navi hatte uns nun schon seit Tagen nicht mehr auf Afrikaans angesprochen und funktionierte mit dem Kabel im hinteren Zigarettenanzünder perfekt (welch eine Logik, vorne abklemmen und hinten dran lassen!). Zu Feier des Tages wollte Jürgen heute mal fahren, ich habe ihm nur sehr unwillig das Steuer überlassen, aber die Aussicht auf Fotos (während der Fahrt) war auch reizvoll. Also haben wir unseren Krempel verstaut, uns vom Haus verabschiedet und sind um halb zwei mittags los. Auf den Straßen war relativ viel Verkehr, aber Staus gab es nicht. Sind exakt 205 Meilen bis nach Orlando und wir waren in genau drei Stunden dort.
Ich habe viele Trucks, Autos, Straßenschilder und ein bisschen Landschaft fotografiert. Was ich an den Trucks so besonders finde weiß ich selber nicht, aber gerade die Führerhäuser haben es mir angetan. Diese bunten chromblitzenden Karossen sind einfach geil, so ein Ding würde ich echt gern mal fahren. Zuhause habe ich bei diversen Umzügen und früher während der Messe-Aufbauzeit (im Job) auch schön öfter dicke Brummis gefahren (bis 7,5 t) – das macht echt Spaß. Da mir das richtige abschätzen von Abständen liegt habe ich auch nie Mist gebaut, selbst bei Fahrmanövern in Messehallen zwischen den Ständen nicht. Wenn wir unterwegs sind und die Parklücke ist knapp, dann lässt mein Mann mich zum Einparken ans Steuer! Ich gestehe, da bilde ich mir echt ein bisschen was drauf ein ;-)
Zurück zur Tour (dass ich aber auch immer abschweifen muss!).
Kurz vor Orlando wurde es plötzlich recht dunkel am Himmel und blitzte auch mal. Jürgen hatte direkt schon wieder Sorge ein Unwetter könnte jetzt in Cape Canaveral das Launchpad treffen und der Blitz in den dort aufgestellten Spaceshuttle einschlagen, aber ich konnte ihn beruhigen. Dann fing es sintflutartig an zu regnen – für ca. 3 Minuten. So schnell, wie es losgegangen war hörte es auch wieder auf – es schien sogar die ganze Zeit weiterhin die Sonne und wir konnten links eine parallele Strasse sehen, die war trocken! Hier ist es also tatsächlich „partly cloudy“, sogar nur „partly gewittrig“ – oder wie immer man das nennt.
Das Quality Inn liegt unmittelbar an der Autobahn, gleich neben dem verrücktesten Mc Doof der Welt am International Drive.
An der Rezeption bin ich der in meinem Leben dümmsten Amerikanerin mit afrikanischem Ursprung begegnet, unglaublich. Okay, „Kempkes“ ist ja jetzt nicht unbedingt ein amerikanischer Name, aber so unaussprechlich nun auch nicht. Wir haben ihn 4 Mal (!) buchstabiert (in Englisch wohlgemerkt!) und sie hat’s nicht gerafft. Erst eine Kollegin hat uns verstanden und ihr den entscheidenden Tipp (welchen hab ich nicht verstanden!) gegeben. Dann konnte sie unsere Reservierung erst im PC finden. Dann hat Jürgen dieser unglaublich dummen Frau den kompletten Gnadenstoß gegeben, als er sie danach fragte, ob wir wohl am 29. April noch einmal für nur einen Tag den Parkplatz des Hotels (auch gern gegen Entgelt) benutzen dürften (weil ja der Spaceshuttle-Start auf dieses Datum verlegt wurde und wir von Gator-Tours im Hotel „aufgepickt“ werden). Er hat es dreimal erklärt, sie hat es nicht begriffen. Wir hätten nicht bis zum 29. gebucht – äh – wir wollten nur den einen Tag und nicht 4 Nächte? – äh – (hilfesuchender Blick zur Kollegin) – äh… I did’nt understand…
Die Kollegin hat’s sofort verstanden und unseren Fahrzeugzettel zum Vorzeigen bei der Einfahrt neu geschrieben und auf den Zeitraum bis zum 29. datiert.
Wir sind ja nicht zum ersten Mal hier, aber es wurde doch im letzten Jahr anlässlich eines Inhaberwechsels einiges renoviert und erneuert. Trotzdem natürlich kein Vergleich zu unserer Villa in CC – „Ganz schön klein.“ Stellte Jürgen nüchtern fest als wir unser Zimmer betraten. Was soll’s, wir sind hier ja sowieso die meiste Zeit auf Achse.
Alles ausgepackt und verteilt, PC angeschlossen und die Verbindung (eine recht unsichere Verbindung) über die hauseigene W-LAN hergestellt. Ein bisschen rumgesurft und Mails gecheckt. Unterwegs hatten wir eine Tüte Chips (Sourcreme and Onion) gekillt, aber jetzt meldete sich der Hunger.
Bei unseren letzten Besuchen waren wir gern bei einem Chinesen, Fußweg 3 Minuten vom Hotel – mal sehen, ob es den noch gibt.
Draußen war es schwül-warm, längere Spaziergänge sind da eher unangebracht, vor allem in der Rushhour. Der Herr war dann auch in Sekundenbruchteilen angenervt und ließ mir keine Zeit für Sightseeing – das „China Jade Mongolian Grill“ gibt es immer noch! Ab ins Restaurant (und angenehme Kühle). Hier hat sich nichts wesentlich verändert, sogar nicht mal die Preise seit 2008.
Hungrig über das Buffet hergemacht, Shrimps, Flusskrebs und Muscheln in diversen Zubereitungen – da stehe ich ja echt drauf. Zum krönenden Abschluss Eis mit frischen Früchten, das Eis „selbst gezapft“ an 2 Softeismaschinen. Da habe ich mir noch Nachschlag geholt, wollte immer schon mal bei so einer Softeismaschine die Hebel drücken.
Ziemlich voll gefuttert sind wir dann raus in den Trubel auf dem International Drive, hier sind auch diverse Vergnügungsetablissements Tür an Tür. Jürgen hatte Lust auf „ein paar Schritte“ und so stiefelten wir dem Sonnenuntergang entgegen (so ähnlich jedenfalls).
Der Abendhimmel verwöhnte mit seiner Farbenpracht und setzte dem glitzernden Treiben noch einen drauf. Auf der anderen Straßenseite war so eine Art Kirmes (Rummel) – nur die Straßenüberquerung zur Hauptverkehrszeit war abenteuerlich. Blöd ist ja, wenn bei zwei Spuren einer hält und dir winkt du sollst gehen und in der Spur daneben halten sie drauf… da rennst du dann im Zickzack um dein Leben. Aber wir sind heil drüben angekommen!
Über einen Parkplatz und kurz einen Zaunblick in eine Alligatoren-Vorführung. Dann dem Gegröle gefolgt zum „Slingshot“, so eine Art Katapult. In einer Gondel sitzen 2 Halbirre und werden zunächst nach unter (in einen Pseudovulkan) gezogen, während hunderte von Federn zusammengedrückt werden um 2 Seile unter höchste Spannung zu bringen. Dann wird die Gondel ausgehakt und mit Megawucht nach oben (390 Fuß) katapultiert. Mit der Schwerkraft kommt sie dann wieder zurück und schwingt noch ein paar Mal auf und ab, ehe die Bekloppten aus der Gondel wieder befreit werden – oder (wie in unserem Fall) gleich noch mal „schleudern“ wollen. Ich mach ja echt viel Scheiß mit, aber dazu fehlt mir dann doch der Antrieb. Gucken ist okay, selber machen muss ich das nicht.
Dann gab es noch ein niedliches Kindertrampolin mit 2 Bungee-Gurten und ein Kettenkarussell in luftiger Höhe. Eine riesige Go-Kart-Anlage (auch sehr beliebt, da viel befahren – übelst Benzingestank) und diverse Fress- und Trinkbuden. Dann drängte mich leider ein natürliches Bedürfnis und wir kehrten ins Hotel zurück. Kirmestrubel werden wir in den nächsten Tagen noch zur Genüge haben – jetzt war erst mal ein bisschen relaxen angesagt.
Das kleine Hotelzimmer ist echt ein krasser Gegensatz zu unserem CC-Domizil, der Fernseher lässt sich mit der Fernbedienung nur einschalten und zappen, nicht mal die Lautstärke ist verstellbar (die kommt teilweise nicht gegen den Lärm der Klimaanlage an).
Die Betten sind grausam weich, Jürgen „kullerte“ immer wieder in seine Mulde zurück und moserte deshalb ununterbrochen.
Dann fing er an zu „erzählen“: „Das ist der Jürgen, der schwitzt ganz doll, muss er nicht – tut er aber.“ – ich bekam beim Zähneputzten einen Lachflash und hätte fast meine Zahnbürste verschluckt. Mir fielen dann auch ähnlich doofe Sätze ein und ich war froh, dass ich irgendwann wieder Luft bekam nach der ganzen Kicherei. Was wohl die Zimmernachbarn gedacht haben? Egal, jetzt versuchen wir in unseren Schlafmulden zu schlummern. Morgen ist auch noch ein Tag!